Schlichte Schönheit aus Sichtbeton
Behutsam in die malerische baden-württembergische Landschaft integriert, besticht die Villa S als minimalistisch-eleganter Monolith. Die strahlend weiße Außenhülle verleiht dem Wohnhaus etwas Majestätisches, dennoch drängt es sich seiner Umgebung nicht auf. Der großzügige Neubau ist eine kühne Konstruktion aus zweischaligem Ortbeton, die sich über zwei Ebenen erstreckt.
Allein das Grundstück in Schriesheim ist ein Filetstückchen: Nur wenige Kilometer nördlich von Heidelberg an der Bergstraße in Baden-Württemberg gelegen, bietet die sanfte Hanglage einen spektakulären Ausblick auf den Schwarzwald, das Rheintal und im Osten den Odenwald. Direkt im Vordergrund der Villa S liegen die Ruinen der Strahlenburg, mit deren Bau 1235 begonnen wurde – also eine ideale Kulisse für diesen eleganten Rückzugsort. Mit der Realisierung der Villa beauftragte der Bauherr das Büro Ian Shaw Architekten aus Frankfurt. Dessen Entwurf sah eine zweigeschossige Konstruktion aus Ortbeton vor, wovon der untere Teil als massiver Quader in das Gelände eingebettet werden sollte, damit es so wirkt, als sei das Bauwerk aus dem Fels gewachsen. Die Ebene darüber, die sich als Kubus in den Himmel reckt, bildet mit ihrem leichten Volumen einen spielerischen Gegenpol zu der massiven Verankerung im Felsgestein. Somit setzt die Villa S einen zeitlosen Akzent, ohne jedoch Landschaft oder umliegende Gebäude zu dominieren.
Auf das Wesentliche reduziert
Der Eindruck einer auf das Wesentliche reduzierten Architektur wird durch die weiße Sichtbetonfassade der Außenwände verstärkt. Dafür wurde dem Ortbeton (Anforderungsklasse SB2) als Zuschlagstoff Weißpigment (FF-182259) beigemischt. Damit die Außenfassade absolut makellos ausfällt, bedurfte es absolut glatter und fehlerfreier Schalungen, und im Anschluss mussten die Oberflächen gründlich geschliffen und gewachst werden. Dieses Verfahren wurde auch bei den Innenwänden eingesetzt, die durchgängig in weißem Sichtbeton gehalten sind. „Die Kraft des Entwurfs beruht auf dem System der doppelten Betonwand. Da die innere Wand tragend ist, kann die Außenwand als eindrucksvolle Hülle zur Geltung kommen“, erklärt Architekt Ian Shaw. Bemerkenswert ist bei der Betonkonstruktion, dass auf der Südseite ein Ausleger ohne Abstützung 2,60 m über die Terrasse des unteren Wohnblocks ragt. Und auf der Nordseite scheint eine rechteckige Öffnung (6,25 m x 5,00 m x 0,65 m) der Schwerkraft zu trotzen und akzentuiert dadurch eindrucksvoll den Haupteingangsbereich.
Offene Räume und Rückzugsmöglichkeiten
Der obere Kubus der Villa S erinnert mit seinen großen Glasfronten und den großzügigen Räumen an einen lichten Pavillon. Die Raumhöhen vermitteln zusätzlich Großzügigkeit: im Obergeschoss sind es 2,85 m, im Untergeschoss 2,60 m. Diese Offenheit lässt die Grenzen zwischen der Landschaft und den Innenräumen nahezu verschwinden. Die weißen Sichtbetonwände im Innern verstärken diesen Eindruck zusätzlich. Gläserne Schiebetüren und die brasilianischen Schieferfliesen, die für den inneren und äußeren Boden verwendet wurden, verbinden Wohnbereich und Terrasse nahtlos zu einer Gesamtfläche von 135 m².
Die maßangefertigten Meranti-Türen und -Fensterrahmen im gesamten Gebäude vervollkommnen nicht nur die Wirkung des weißen Betons, sondern akzentuieren auch den Schieferboden und die opaken Fenster. Das Untergeschoss umfasst 175 m² und gliedert sich in zwei lichtdurchflutete Südzimmer, die beide raumhoch verglast sind und über jeweils ein angrenzendes Badezimmer verfügen. Außerdem befinden sich hier zwei weitere Schlafzimmer und ein mittig gelegener flexibler Nutzungsbereich. Imhinteren Teil der Räumlichkeiten sind Geräte-, Wasch- und Lagerraum sowie ein Hobby- und Kinderspielzimmer untergebracht, Elektrik und Heizung befinden sich in einem separaten Raum.
Ortbeton bietet Gestaltungsfreiräume
Bei der Entwurfsplanung der Villa S war dem Architekten schnell klar, dass sich dieses kühne Konzept nur mit Ortbeton realisieren lässt: Einerseits erfüllt das natürliche Material die bautechnischen Anforderungen und gleichzeitig bietet es viel Gestaltungsspielraum. „Beton ist solide und massiv, kann aber auch ganz leicht wirken, außerdem ist es ein dauerhafter und nachhaltiger Baustoff“, sagt Ian Shaw. Allerdings weiß der Architekt aus Erfahrung, dass „zweischaliger Sichtbeton eine besonders genaue Bauüberwachung erfordert.“ Zumal das Bauen am Hang auch immer wieder eine Herausforderung ist. Deshalb zogen Shaw und seine Mitarbeiter bei der Realisierung der Villa S verschiedene Fachleute zu Rate. Einer davon war Alexander Grünewald von BetonMarketing Süd. „Bei einem so ambitionierten Bauvorhaben ist es grundsätzlich sinnvoll, ein Sichtbeton-Team aus Planern, Baufirma, Transportbetonwerk und unabhängigen externen Beratern zu bilden“, empfiehlt Grünewald, der das Projekt daher auch bis zur Fertigstellung beratend begleitete.
Maßgeschneiderte Beleuchtung
Bei einem so durchdachten Konzept musst natürlich auch die Beleuchtung ins Gesamtbild passen, das heißt: Das Beleuchtungssystem der Villa S musste einerseits nahtlos in die Ortbetondecken eingebaut werden und sich gleichzeitig der zurückhaltenden Ästhetik der Räumlichkeiten unterordnen. Bereits auf dem Markt vorhandene Systeme waren daher nicht geeignet. Deshalb entwickelten Ian Shaw und sein Team einen speziellen Beleuchtungskörper (12 cm x 12 cm x 8 cm), dessen Gehäuse aus einem Aluminiumblock gefräst wurde. Im Inneren wurden auf einer Platine 49 LEDs angebracht, mit einem Hochglanzreflektor kombiniert und mit einem speziell satinierten Acrylglas abgedeckt. Diese Niedrigenergie-Hochleistungslampe verbreitet ein gleichmäßiges Licht und ist absolut bündig in Wände und Decken eingepasst, weil keine externe Montage oder zusätzliche Verkleidung nötig ist. Dadurch bleibt die asketische Klarheit des Ortbetons erhalten und das individuelle Beleuchtungskonzept unterstreicht zusätzlich die schlichte Schönheit der Villa S. Im Auftrag von InformationsZentrum Beton, erschienen in OpusC 2.2015.