Architekt Thomas B. Krüger von Ticket B im Interview | 10plus1 no 19
„Die gebaute Umwelt bestimmt unser Leben und betrifftuns alle. Architekturist mehr als einSchutz vor Regenund Wind. Anderen ihrenReiz zu vermitteln,ist meine Passion.“
Thomas B. Krüger ist Architekt und Gründer von Ticket B, einem Veranstalter für Architektur- und Fachreisen in Berlin und weltweit. Das Unternehmen besteht bereits seit 25 Jahren. Der Baukultur-Vermittler möchte Menschen für Architektur begeistern – in der Spreemetropole und an vielen anderen Ort. Jede Führung motiviert ihn aufs Neue, weil auch er immer wieder andere Facetten entdeckt. Im 10plus1 ArchiteXt erzählt Thomas über die Anfänge, wer ihn geprägt hat, welche Bücher und Musik er mag. Dass ihn Blade Runner begeistert, wundert nicht. Ridley Scotts Meisterwerk beeindruckt mit Atmosphäre und einer fantastischen Filmarchitektur.
1. Wenn Sie nicht Architekt und Reiseveranstalter wären, dann...?
Auf jeden Fall Künstler, Maler oder Musiker!
2. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Baukultur über Reisen zu vermitteln?
Der Beginn war eine Mischung aus Zufall und spontaner Lust, etwas Neues auszuprobieren. Und es hatte mit der Lehrerfahrung an der Uni zu tun. 1996 ging es los am Potsdamer Platz. Als dort die ersten Baugruben entstanden, gab es Nachfrage nach Führungen über das Gelände. Klassische Stadtführer konnten das nicht so einfach leisten wie wir als diplomierte Ingenieure. Und so machte ich meine erste Architekturführung zur größten innerstädtischen Baustelle Europas. Ich erläuterte die Projekte, aber auch technische Aspekte, wie die Herstellung der Fundamente oder der Schlitzwände. Anfangs machte ich nur wenige Führungen, aber über die Jahre baute sich das immer weiter aus. Seit 2016 betreuen wir keine Bauprojekte mehr und fokussieren uns ganz auf die Architekturvermittlung.
3. Woher kommt die Freude, Menschen für Architektur zu begeistern?
Das hat wohl mit meiner Grundhaltung zu tun, gerne Wissen zu teilen. Die gebaute Umwelt bestimmt unser Leben. Baukultur ist zwar ein sperriges Wort, aber keine Nische für Architekten, Freiraumplaner und Ingenieure. Sie geht alle an! Wir werden in Häusern geboren, gehen in Kindergärten, Schulen und Universitäten, wohnen, lieben und sterben dort. Jeder hat Erfahrung damit, aber weiß oft nicht viel darüber. Ich möchte dazu beitragen, die faszinierende Welt von Architektur und Städtebau zu erklären und Baukultur als Spiegel unserer Gesellschaft zu begreifen. Das ist meine Passion.
4. Welche Architekten bewundern Sie und warum?
David Chipperfield für seine gelassene britische Art und seine großartige Entwurfskunst. Und natürlich Mies van der Rohe, Le Corbusier sowie Walter Gropius (wo wären wir ohne das Bauhaus?). Auch Adolf Loos war sehr prägend für mich. Und dank hervorragender Baugeschichtslehrer lernte ich bereits zu Beginn meines Studiums den Wert der Avantgarde zu schätzen.
5. Welche Persönlichkeiten allgemein inspirieren Sie?
Alle, die moralisch und integer sind.
6. Welche Bücher, Serien oder Musik mögen Sie?
Bücher: Früher habe ich Max Frisch geliebt, erst später erfuhr ich, dass er als Architekt angefangen hatte. Martin Walser mochte ich auch. Und alle Krimis von Patricia Highsmith und Henning Mankell. Gegenwärtig: Unterleuten von Juli Zeh war schon klasse, Alexander Osang, Volker Kutscher. Auch „Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau“ von Björn Stephan hat mich sehr berührt.
Musik: Meine Menschwerdung begleitete der Folk und Rock. Beatles, Stones, später dann Neil Young, aber auch Led Zeppelin, Genesis, David Bowie und vor allem Pink Floyd. Von denen habe ich viele Konzerte live gehört, der Bombast und die visuellen Effekte haben uns überwältigt.. Auch Deutschrock wie Grobschnitt und Can spielte eine große Rolle. Im Studium kam dann noch einmal der Einfluss der Achtziger, New Wave und auch NDW, mein Lieblingslied stammt aus der Zeit: Unfinished Sympathy von Massive Attack.
Film: Dann bin ich Cineast, ein Bildermensch, fast schon eine Sucht. Alice in den Städten, Shining, Blade Runner, Serien Mad Men, Breaking Bad, die Brücke….
7. Was macht gute Architektur aus und was muss sie in Zukunft leisten?
Ich glaube gute Architektur muss gar nicht erklärt werden. Wenn man die Villa Savoy von Le Corbusier, das Farnsworth House von Mies van der Rohe oder die Villa Müller von Adolf Loos besucht, dann wird jeder Mensch fasziniert sein und spüren, dass Architektur mehr ist, als nur Schutz vor Regen und Wind. In Zukunft müssen unsere Gebäude nachhaltiger gebaut und unsere Städte intelligent verdichtet werden.
8. Was begrenzt Sie in Ihrer Vision?
Der verbreitete Egoismus in der Welt. Missgunst, Ignoranz, und mangelnde Begeisterungsfähigkeit.
9. Welche drei Wünsche haben Sie als Kreativer und Mensch?
Das, was man vielleicht als zu selbstverständlich ansieht, wenn es einem gut geht: Gesundheit. Die Abwesenheit von Schmerz und Leid. Dann Toleranz und Leidenschaft.
10. Was sind eigentlich die Guiding Architects?
Ein weltweiter Zusammenschluss von Architekt*innen, die die Leidenschaft teilen, Begeisterung für eine gut gebaute Umwelt zu wecken und dies auch kompetent und charmant vermitteln.
11. Was haben Ticket B und Sie die nächsten Monate geplant?
Spannende digitale Führungen in Berlin und Architekturreisen nach Vorarlberg, ins Ruhrgebiet, nach Israel und unser Dauerbrenner Japan. Auch Kuba, Südafrika und Mexiko haben wir im Visier
◾ Weitere Infos zu Ticket B auf www.ticket-b.de und @ticket.b.berlin
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