Nische hat das Zeug zum Unwort des Jahres 2019
Hier ein Klartext zum Thema „Nische“! Nein, das ist kein Plädoyer für den Bauchladen. Mir geht es um den inflationären Gebrauch des Begriffs und die negativen Assoziationen, die er auslösen kann.
Sicher ist es ist klug und ratsam, einen Fokus zu haben und sich als Experte in einem Bereich zu spezialisieren. Oder Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die Bedürfnisse befriedigen, Probleme lösen, Menschen helfen etc. Soweit d'Accord mit dem Tipp von Instagramstrategen, Socialmedia-Experten und Coaches: „Finde Deine Nische“. Doch Sprache hat große Macht, positive und leider auch negative. Der Begriff Nische stammt aus dem Französischen: Er bedeutet neben Nische auch ein Nest bauen und nisten, aber auch Loch, Spalt und Mauervertiefung. Letztere Begriffe klingen nicht mehr so heimelig wie die Nische, in der man es sich mit dem Business gemütlich machen soll…
Die Nische nagelt fest
Das Wort Nische wirkt beengend und kleinkariert. Gedanken an Stärke, Expertise und Wachstum (Diversifikation?!) kommen mir dabei nicht in den Sinn. Wenn Coaches und Strategen permanent die Nische predigen, nagelt das Leute fest! Denn so werden vielleicht auch (Geschäfts)Ideen vorschnell verworfen, weil sie scheinbar nicht in die Nische bzw. zum Businessmodell passen. Ob das permanente Nischenblabla junge Selbstständige oder Firmen, die gerade erste Schritte gehen, eher verunsichert als in ihrem Tun bestärkt, sei dahingestellt. Wahrscheinlich ist aber, dass sie sich nicht mehr trauen, etwas auszuprobieren, Dinge zu wagen und neue Ideen in ihr Business zu integrieren – oder auch zu verwerfen.
Früh den Fokus festlegen vs Erfahrungen sammeln
Nehmen wir z.B. einen Grafikdesigner (gemeint ist immer m/w/d) auf dem Schritt in die Selbstständigkeit. Wäre es da ratsam, sich sofort auf eine Nische zu kaprizieren, z.B. auf die Gestaltung für „junge Unternehmerinnen” oder „Onlinecoaches“ oder „Weddingplanner”? Klar, wer Autohäuser, eine Brauerei, Metzger, Ärzte, Anwälte, Behörde, Gartencenter oder Galerien im Programm hat, könnte sich verzetteln. Vielleicht fehlt der Fokus, um eine klare Linie in der Gestaltung zu entwickeln. Mag sein. Auf der anderen Seite: Warum sollte ein Designer sich nur auf eine Berufsgruppe oder Branche als Zielgruppe bzw. Wunschkunden festlegen? Es geht ja auch darum, Erfahrungen und Referenzen zu sammeln, den Horizont zu erweitern mit vielfältigen Projekten und Herausforderungen, um letztendlich Kompetenz zu beweisen. Ja, und es gibt beispielweise auch fähige Köpfe, die versiert sind im Printbereich, Branddesign UND Webdesign.
Von der Nische zum Ladenhüter?
Das mit der Nische lässt sich das anders ausdrücken, nämlich über Begriffe wie Stärke, Expertise, Spezialisierung und Qualität. Es ist doch so: Keine Firma – ob groß oder klein – kommuniziert ernsthaft: „Wir hocken in dieser oder jenen Nische…. Wir stellen ganz tolle Nischenprodukte her…“, sondern z.B.: „Wir sind Spezialisten für dies und das... Wir verbinden Handwerkskunst mit Innovationen. Deshalb sind wir Experten für exklusive Designermöbel aus Holz. Damit machen wir Ihr Zuhause einzigartig.“ Ihr merkt den Unterschied in Aussage und Tonalität? Zumal: Es gibt auch Selbstständige oder Unternehmen, die glaubhaft in mehreren Bereichen aktiv sind und Erfolg haben, hui! Und nun? Auch für solche Freelancer bzw. Firmen muss es Lösungen geben – oder von IG-Coaches erarbeitet werden –, damit sie ihr Business auf Instagram, Website und anderen sozialen Medien passend präsentieren. Von der Nische zum Ladenhüter ist nur ein kleiner Schritt...
Wenn ich mich selber und textart mal betrachten darf ;-): Hier geht es um gute Texte und Konzeption sowie Kunst. Das sind ja schon per se mehrere Gewerke bzw. „Nischen“. Hinzu kommt, dass ich mich erst in letzter Zeit hinsichtlich Text gezielt auf Architekten, Designer und Corporate Publishing fokussiere. Wer in meine Referenzen schaut, findet weitere Themenbereiche wie Automotive, IT, Wirtschaft, Kultur. Heißt: Wenn ich eine spannende Anfrage oder Herausforderung erhalte, lehne ich die nicht ab. „Erweitere meine Nische”, wenn man so will. Somit habe fundierte Erfahrungen gesammelt und bin an den vielseitigen Aufgaben gewachsen.
Oder die Kunst: Viele hatten davon abgeraten, „dieses Hobby” auch auf meiner (Business)Website zu präsentieren. Ein unpassender Ratschlag. In meiner Arbeit gehören Texte und Kunst bzw. meine Malerei zusammen. Das macht mich aus und darin bin ich sehr gut. Das interessiert vor allem die Zielgruppe mit Architektur-, Design- oder Kunsthintergrund. So sehen sie, dass ich sie verstehe und agiere auf Augenhöhe. Hätte ich nur das Nischendasein gefristet, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin.