Warum moderne Architektur vielen Menschen nicht gefällt und wie man sie dafür begeistert

Für viele bleibt zeitgemäßes Bauen ein Reizthema. Einerseits übt sich die Öffentlichkeit in Ignoranz, stimmt! Andererseits: Vielleicht tun Planer und Auftraggeber zu wenig, um Menschen für ihre Sache zu gewinnen. Die immer noch kultivierte Attitüde „unsere Projekte sprechen für sich“, hilft auch wenig. Wird dann irgendwo noch Statement-Architektur auf Biegen und Brechen hochgezogen, verhärten sich die Fronten. Ein Erklärungsversuch für die Skepsis gegenüber moderner Architektur. Dazu Tipps, wie Ihr für bessere Stimmung sorgt und Akzeptanz erreicht.

 

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Anm.: Die Debatte um Gentrifizierung und Preisexplosion im Immobilienmarkt lasse ich außen vor. Das sprengt sonst den Rahmen dieses Blogartikels.

Die Betrachtung trifft auch kaum auf Büros zu, die für Private bauen. Da vieler dieser Projekte für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und somit nicht zur Diskussion stehen.
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Wohnhaus im Les Quartier Centraol Düsseldoorf-Pempelfort, Foto: Latzke

Flashback

Bei einem Ausflug zum Phoenix See fiel die Begeisterung für die neuere Architektur verhalten aus, außer bei mir. Klar, das künstlich aus dem Boden gestampfte Städtebauprojekt in Dortmund Hörde bietet Zündstoff. Vor einigen Jahren erhitzten sich Gemüter angesichts befürchteter Gentrifizierung und steigender Immobilienpreise. Das war bei der Exkursion zum See aber nicht Thema. Vielmehr irritierte die Ausflugsgruppe, dass die Neubauten „keine Dächer haben” oder so kalt wirken. Tenor: „Das sind doch keine Häuser, sondern Kaninchenställe…“ Na, dann schauen wir mal, wie es weiterging und was mir dazu einfällt.

 
 

1. verklärter Blick in die vergangenheit

 

„Was haben die früher grandios gebaut. Das war noch echtes Handwerk und 1A-Qualität...“, so die Ausrufe der Ausflügler am Phoenix See. Und natürlich vieler anderer Menschen, die zeitgemäße Architektur mit damals vergleichen. Ja, so aufwendig und hochwertig war es früher… Heute ist diese Bauweise unrealistisch, Ihr als Architekten wisst das viel besser als ich.

 

Gründerzeitvilla im Briller Viertel, Foto. Latzke

NEubau LWL-Museum Münster (Staab Architekten), Foto: Latzke

 
 

Doch diese Meinung mit Blick auf das bewährte Alte höre ich oft. Aus Sicht des persönlichen Geschmacks ist das legitim, schade ist das Rigorose dieser Haltung. Denn offenbar reicht ein „Flachdach“ aus, den Rest eines Gebäudes zu ignorieren. Und auch die klare Linie, Ästhetik und Schlichtheit werden als ein Mangel empfunden. Viele verbinden mit solchen Entwürfen auch eine gewisse Kälte.

Das mag stimmen. Nur sind z.B. die Mietskasernen aus den 50ern und 60ern – trotz spitzer Bedachung – auch keine architektonischen Highlights. Damals musste schnell und preisgünstig Wohnraum geschaffen werden. Der Punkt ist, dass die Leute darin groß geworden sind, die mit aktueller Architektur fremdeln. Andere trauern den Bauten aus der Gründerzeit und der damaligen Qualität nach, klar: Die Villen stehen immer noch, während der Lebenszyklus von Betongebäuden nach 30-50 Jahre endet, zu Punkt 2

 
 

2. Nicht Alle mögen klare kante & Purismus

Klare Kante und Purismus kommen bei den wenigsten Menschen gut an. Warum? Frage ich mich auch… M.E. geht es hier um eine gelernte, verinnerlichte und tradierte Haltung: Das ästhetische Empfinden vieler ist geprägt von Gewohnheit und der Umgebung, die ihnen vertraut ist (Punkt 1). Für viele hat es eben wenig mit puristischer Architektur zu tun: Die Tapete aus den 70/80ern im ehemaligen Kinderzimmer, die alten Möbel, Omas Stube. Und der trutzige Dachboden, der so spannend war und zum Verstecken einlud.

Da kommen Erinnerungen hoch, die sind hoch emotional. Und es sind eben andere bzw. erlernte Sichtweisen, was als gemütlich oder einladend gilt und was nicht. Offenbar herrscht auch Konsens, dass „alles Alte per se schön ist“. Und ich behaupte, dass nur die wenigsten Planern-innen in einer Sichtbeton-Villa aufgewachsen sind. Eure Prägung kam dann durch das Studium oder Eure Interessen, richtig? Daher solltet Ihr damit umgehen können. Zumindest nachvollziehen, warum die Leute Berührungsängste haben und gegen die Modernde mauern, dazu Punkt 3 (wichtig!)

 
Villa im Bauhausstil am Phoenix-See Dortmund

Villa am Phoenix-See in Dortmund Hörde, Foto: Ute Latzke

Wohnhaus-meer-canva

Haus am Meer, foto: Canva, Vielen würde dieses haus besser gefallen als links

Bei einer Umfrage, welches Haus besser gefällt, fiele die Wahl vieler Leute auf Foto 2.

 
 

3. Statement-Architektur Anstelle Respekt vor dem Ort

 
Alt- und Neubau in der Katernbergerstr., Briller Viertel Wuppertal

Hier Harmonieren alt und neu sehr gut, Links Baudenkmal, rechts Neubau, foto © u. Latzke

In einem denkmalgeschützten Stadtteil wie dem Briller Viertel in Wuppertal stehen fantastische Bauten aus der Gründerzeit. Mit rund 250 Denkmälern ist das Quartier eines der größten zusammenhängenden Villenviertel Deutschlands. Die Handwerkskunst und vielfältige Formensprache begeistern, so dass hier regelmäßig Busse mit Touristen anreisen. Und natürlich haben die Prachtbauten traditionelle Dächer :-).

Wenn Architektur die Tradition aufgreift, neu interpretiert und den Bestand respektiert, entsteht Harmonie. Dann läuft es gut, Neu neben Alt wird akzeptiert. So wie bei dem Wohnhaus oben. Das hat der Architekt direkt neben einer Villa im Bergischen Stil errichtet. Material, Raster und Kubatur sind stimmig geplant. Ebenso gelungen ist das Wohn- und Geschäftshaus k5 in Ulm (Hochstrasser Architekten). Dabei galt es, einen Neubau behutsam in den Bestand der historischen Altstadt nahe dem Ulmer Münster zu integrieren (siehe auch mein Fachartikel in der > db Deutsche Bauzeitung).

Realität? Oft gehen Planer und Entwickler weniger behutsam mit dem Ort um. Dann entsteht im Wortsinne „Statement-Architektur“. Die macht vielleicht Investoren und manche Büros oder Bauherren glücklich. Nicht aber jene, die damit bzw. darum herum leben müssen und sich den Anblick jeden Tag reinziehen! Also Respekt vor dem Ort und Kontext bezogene Entwürfe sind gefragt! Next Point 4

 
 

4 Umfeld und Öffentlichkeit werden nicht informiert und einbezogen

 

Es ist nicht klug, das Umfeld mit einem Neubauprojekt zu konfrontieren (!), ohne es zu informieren, Motto: „Wir ziehen das hoch und später sehen sie schon, wie gelungen unser Entwurf ist.“ Das geht immer, immer, immer wieder nach hinten los!

Sinnvoller und fairer wäre es, alle Stakeholder von Anfang an einzubeziehen und das auch über den gesamten Projektverlauf (Stichwort: Beteiligungsverfahren). Dann am Ball bleiben in Form von regelmäßigen Ortsbesichtigungen und Feiern. Vielleicht ‘ne Party veranstalten für alle mit Häppchen und Bierchen… ? Scherz! Aber warum eigentlich nicht?

Was nach Aufwand klingt, dürfte sich lohnen. So sorgt Ihr für entspannte Anwohner und einen Dialog auf Augenhöhe. Ihr stellt frühzeitig eine Verbindung zu den Leuten her, baut Sympathie für Euch als Macher und Begeisterung fürs Projekt auf.

Also, anstatt emotionale und mentalen Mauern zu errichten, lieber kommunikative Brücken bauen und Türen öffnen. Somit fühlen sich potenzielle Bedenkenträger ernstgenommen und respektiert. Mögliche Irritationen bleiben von Anfang an aus oder lassen sich rechtzeitig ausräumen. Punkt 5

 
 

Gründerzeitvilla Briller-Viertel Wuppertal, Foto: Ute Latzke

Modernes Wohnhaus im Le Quartier Central Düsseldorf, Foto: Latzke

 
 

5. Bauschild und Info-plakat Nutzen und als chance sehen

 

Sehe ich immer wieder bei Neubauprojekten: Da wird noch nicht einmal ein Bauschild angebracht! Soweit mir bekannt ist, sind Architekten, zumindest Bauherren dazu verpflichtet oder nicht? Viele unterlassen das oder machen Architekturbüro und Auftraggeber mit einem großen schwarzen Kreis unkenntlich. So als ob die Dinge besser würden, wenn man einfach nicht informiert. Ist fast so, wie das Kleinkind, das sich die Augen zuhält und denkt, wir würden es deshalb nicht sehen.

Anstelle eines winzigen A4-Zettels (= „Bauschild“) wäre doch ein großes Infoplakat die Gelegenheit, sich als Büro oder Entwickler zu präsentieren. Eine schöne Visualisierung des Projekts mit kurzer Beschreibung: Wir bauen fürs Viertel etwas ganz Besonderes...

Und am besten während des Projektverlaufs bei den Anwohnern Hallo sagen, konstant informieren und einladen. Damit nimmt man Bedenkenträgern den Wind as den Segeln, sie fühlen sich ernst genommen. Auch die vorübergehende Hässlichkeit eines Rohbaus schreckt viele ab. Menschen und vor allem Nimbys (= Not In My Back Yard) rechtzeitig einzubeziehen, soll Wunder wirken. Habe ich mir sagen lassen…

 
 

6. Fazit und Perspektive

Architektur erschafft Raum und ist gedacht als wertvoller Beitrag für urbanes Zusammenleben. Damit das auch so ankommt, lohnt es sich, sichtbarer zu werden, präsent zu sein und Leute sowie Umfeld „abzuholen”.

Es gab noch nie so viele Möglichkeiten wie heute, mit Zielgruppen, Öffentlichkeit und Medien in Kontakt zu kommen: Website, Printtitel, Instagram, Meta, Linkedin, Videos, Interviews, PodCasts, Newsletter, Content Marketing, PR-Konferenzen, PR-Infos, Baustelle, Bürgerbeteiligung, Richtfest, Party etc.

Also: Ich wünsche Euch (mehr) Freude dabei, Eure Projekte zu kommunizieren und Menschen für Eure Arbeit, Euer Büro und Team zu begeistern. Haut rein, es lohnt sich.

 
 
Ute Latzke, Expertin Texter Kommunikation Architektur

Ute Latzke

 

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