Skyline Atlas Gründer Michael Wutzke im Interview | 10plus1 Fragen no 25
/“Ich bewundere Architekten, die von ihrer eigenen Linie überzeugt sind und diese vertreten.”
Michael Wutzke hat ein Faible für Hochhäuser schon seit 1996. Seitdem realisiert der IT-Experte und Gründer vom SKYLINE ATLAS immer wieder redaktionelle Projekte rund ums Bauen in der Vertikalen. Das Webportal informiert die Öffentlichkeit über Frankfurts faszinierende Hochhauswelt und hat mehr als 600.000 Leser pro Jahr. Das Handelsblatt bezeichnet Michael als ‘den inoffiziellen Chronist über die Hochhäuser in Frankfurt‘.
Als Chefredakteur greift er immer wieder Themen zur Stadtentwicklung der Mainmetropole auf und beleuchtet diese auch kritisch! Bisweilen überkommt ihn der Eindruck, dass der Durchschnittsbürger ein besseres Empfinden für eine gelungene Architektur hat als der Entwurfsarchitekt.
Michaels Lebensmotto: „Mache das, was dir Spaß macht.“
1. Wenn Du nicht das machen würdest, was du machst, dann...?
... wäre ich sicher in einem anderen kreativen Beruf tätig. Vielleicht als Künstler oder Architekt, wer weiß. Meine beiden Interessenbereiche IT und Architektur lassen sich wunderbar mit dem SKYLINE ATLAS verbinden. Die IT begleitet mich schon länger als das Thema Architektur, bereits als Jugendlicher habe ich gelernt zu programmieren.
2. Welche Bücher oder Musik magst Du?
Meist lese ich Architekturführer, die es nicht online gibt, wie Bücher aus dem Verlag „DOM Publishers“. Analoge Bücher sind für mich kein zeitgemäßes Medium mehr, denn die meisten potenziellen Leser werden niemals von ihrer Existenz erfahren. Und darauf kommt es ja an: Leser zu finden. Bei der Musik höre ich meistens elektronische Musik.
3. Welche Persönlichkeiten inspirieren Dich allgemein?
Menschen, die niemals aufgeben. Egal was Du machst: Wenn Du von dem überzeugt bist, solltest du nicht damit aufhören. Zweifler gibt es immer!
4. Welche Architekten bewunderst Du?
Die Mutigen! Mutig sind jene, die von ihrer eigenen Linie überzeugt sind und diese vertreten. Ich habe mir die bekanntesten Wolkenkratzer in Frankfurt angesehen und mich gefragt: Was macht diese bekannten Bauten besonders? Es sind Gebäude wie der Messe Turm, der Commerzbank Tower, die EZB und das Westend-Hochhaus mit seiner spektakulären Krone, die Mainhattan heute unverwechselbar machen. Was also vereint alle diese Entwürfe? Sie wurden von ausländischen Architekten entworfen, darunter klangvolle Namen wie Helmut Jahn, Kohn Pedersen Fox und Norman Foster. Architekturbüros hierzulande scheinen gefangen zu sein in bestimmten Denkmustern, was sehr schade ist. Natürlich können nicht alle Entwürfe kühn sein, sondern sollen sich bewusst vorm Umfeld zurücknehmen. Doch wenn wir alles nur noch anpassen, wie sehen unsere Städte dann in einigen Jahrzehnten aus?
5. Wie kam es zur Idee vom Skyline Atlas?
Zum einen begeisterte mich meine Heimatstadt Frankfurt schon immer, sie ist eine unglaublich lebendige und internationale Metropole. Dann entdeckte ich das Thema Hochhäuser. So startete ich 1999 mit Skyscrapers.com die erste weltweite Hochhaus-Datenbank, 2001 war ich Kooperationspartner beim Frankfurter Wolkenkratzer-Festival. 2003 gründete ich die internationale Gebäudedatenbank Emporis. Nach meinem Ausstieg dort in 2010 konzentrierte ich mich zunächst wieder auf die IT-Branche. Etwa 2016 fiel mir in Frankfurt die rege Bautätigkeit auf. Doch alles wirkte sehr unübersichtlich und es gab kaum Informationen zu den Projekten. Deshalb habe ich ein Portal ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Hochhausentwicklung zu vermitteln.
6. Es gibt kritische Stimmen zum Hochhausbau. Wie siehst Du das?
Hochhäuser faszinieren viele Menschen, schrecken sie aber auch ab. In Frankfurt haben wir eine besondere Situation: Durch den Zweiten Weltkrieg wurde nahezu die gesamte mittelalterliche Bebauung innerhalb weniger Tage ausradiert. Deshalb wählte die Stadt für ihren Neuanfang den Aufbruch in die Moderne. Ohne den Zweiten Weltkrieg gäbe es hier keine Hochhaus-Skyline. Und Frankfurt wäre wohl heute auch keine Wirtschaftsmetropole von weltweiter Strahlkraft.
Ich sehe Hochhäuser inzwischen differenzierter. Richtig gemacht, sind toll, aber viel zu häufig werden sie falsch geplant – auch in Frankfurt. Oftmals sind sie nur Renditeobjekte. Sie müssen aber zum Standort passen und sich ins Stadtbild einfügen. Häufig fehlen öffentliche Nutzungen wie eine Bibliothek, Cafés oder eine Skybar, um von Menschen angenommen zu werden. Immerhin sind Bauherren in Frankfurt mittlerweile verpflichtet, 30% geförderten Wohnraum in Hochhäusern zu schaffen. So ist sichergestellt, dass eine soziale Durchmischung möglich ist.
Thema Nachhaltigkeit: Warum werden immer noch so viele Hochhäuser mit Glasfassaden gebaut, wo sind die Natursteine geblieben? Wieso werden Baustoffe über Tausende Kilometer Entfernung heran gekarrt? Die Architektur spielt derzeit eine sekundäre Rolle im Hochhausbereich, das merkt man leider auch an den Entwürfen. Viel zu häufig werden hierzulande einfach nur Kästen hingestellt. Hier und da kragt ein Geschoss aus, das war’s. Sieht so innovative Architektur aus?
Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Durchschnittsbürger ein besseres Empfinden für eine gelungene Architektur hat als der Entwurfsarchitekt. Das ist wirklich traurig und ich frage mich, warum die Bauherren sich auf diese Entwürfe einlassen. Hoffen wir, dass junge und mutige Architekturbüros diese Probleme künftig mit ihren Entwürfen in den Griff kriegen. Egal, ob in Frankfurt, München oder sonst wo gebaut wird.
7. Was macht gute Architektur aus und was muss sie in Zukunft leisten?
Sie sollte stimmig sein, nicht nur bei einem Hochhaus. Was wie eine Phrase klingt, ist nicht trivial. Was gestern noch der Standard war, kann morgen überholt sein. Gute Architektur sollte daher flexibel sein. Architektur definiert nicht nur das Aussehen und die Nutzung, sondern insbesondere das Wohlfühlen innen und die Wahrnehmung von außen.
8. Welche drei Wünsche hast Du als Kreativer und Mensch?
Ich möchte mehr Menschen für Frankfurt und seine Hochhäuser begeistern. Hohe Gebäude sind nicht mehr Sinnbild für den Kapitalismus, sondern Teil der modernen Stadt.
Dann ist mich wichtig, für die Offenheit von Meinungen einzutreten. Die Grenzen in den Köpfen der Menschen scheinen immer höher geworden zu sein, anstatt diese abzubauen.
Außerdem möchte ich dabei mithelfen, dass Wohnen erschwinglich bleibt. Die Politik muss wachgerüttelt werden, dass sie es selbst in der Hand hat.
9. Wie kommst Du auf neue Ideen für das Onlineportal?
Das ergibt sich meist per Zufall oder ganz spontan. Beispielsweise wenn man mit einer Person in das Gespräch kommt oder ein Leser unserem Redaktionsteam schreibt. Wir greifen auch Vorschläge von Lesern auf, sie können auch selbst Artikel schreiben. Das Wichtige ist, Ideen zügig umzusetzen und nicht alles zu verplanen! Einfach machen, später kann man immer noch verbessern.
10. Welche neuen Projekte setzt Ihr mit dem SKYLINE ATLAS um?
Alles, was die Begeisterung für Architektur und Frankfurt fördert! Dazu gehören z.B. Ausmalbilder für Kinder und Jugendliche, Bastelmodelle der Hochhäuser und eine 3D-Karte, die Frankfurt im Jahre 2028 zeigt. Unter www.bastelmodelle.de gibt es bereits für eine Vielzahl internationaler Städte Modelle zum Download.
11. Was habt Ihr geplant, wo geht die Reise hin?
Der SKYLINE ATLAS wird in den kommenden Jahren sicherlich weiter wachsen, auch inhaltlich: Es wird Contentbereiche geben für verschiedene Zielgruppen sowie explizit für Architektur. Darüber hinaus wollen wir stärker in die Lead-Vermittlung gehen, Networking-Events aufbauen und die riesige Community zu einem stärkeren Austausch online und offline bewegen.
◾ Weitere Informationen auf skylineatlas.de und @skylineatlas_de.
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