bdia Präsidentin Pia A. Döll im Interview | 10plus 1 Fragen no 28
/„Innenarchitekt*innen denken und planen in einer großen Detailtiefe und nah an Menschen und ihren Bedürfnissen. Das erfordert hohe Empathie und Kreativität. Erst Innenarchitektur macht Architektur vollkommen.“
Pia A. Döll ist Innenarchitektin AKH bdia und Inhaberin von DÖLL Innenarchitekturbüro Frankfurt und seit November 2019 Präsidentin des bdia_Bund Deutscher Innenarchitekten. Im Interview erfahren wir, wer sie inspiriert und was sie an ihrer Profession und die vielfältige Verbandstätigkeit begeistert. Außerdem spricht sie über die Ziele des bdia in 2022 und benennt die zukünftigen Herausforderungen aller Akteure der Architektur- und Baubranche. Ein Thema, das Pia weiterhin unter den Nägeln brennt, ist die Gleichstellung von Frauen.
1. Wären Sie nicht Innenarchitektin geworden, dann...?
Tatsächlich hatte ich zunächst einen anderen Beruf erlernt und mich dann entschieden Innenarchitektin zu werden. In meiner Jugend war ich oft in einem Architekturbüro von Freunden zu Besuch. Mich hat das gemeinsame Arbeiten immer fasziniert – das Kreative, verbunden mit strukturierter Büroarbeit. Das wollte ich für mein Leben und diese Entscheidung trägt mich. Mein Beruf ist meine Berufung, meine Passion.
2. Welche Vorbilder haben Sie?
Es sind vor allem mutige Frauen, die sich für unseren Berufsstand einsetzen wie z.B. Barbara Ettinger Brinkmann, ehemalige BAK Präsidentin und die Innenarchitektinnen Sabine Keggenhoff, Monika Lepel, Corinna Kretschmar-Joehnk. Eigentlich jede, die ihr Innenarchitektur- oder Architekturbüro selbstständig und selbstbewusst führt.
3. Welche Bücher oder Musik etc. mögen Sie?
Mein Alltag lässt mir zum Bücher lesen kaum Zeit. Auf der Reise zu Sitzungen bereite ich mich inhaltlich vor. Eigentlich lese ich nur im Urlaub. Das letzte Buch war Alain de Botton: Glück und Architektur. Bei der Musik ist es anders. Ich gehe oft auf Konzerte. Immer wenn ich in Berlin bin, versuche ich zum Beispiel Tickets für den Pierre Boulez Saal/Barenboim-Said Akademie zu erhalten. Mich fasziniert der Raum von Frank O. Gehry und das Musizieren über alle Grenzen. Ich liebe Klassische Musik sowie auch Rock und Pop, am liebsten und hoffentlich bald wieder live.
4. Welcher Ort beeindruckt Sie?
Vor allem das unaufgeregte und unspektakuläre Interieur. Das wiederum ist dann auch lange in Nutzung und dadurch sehr nachhaltig. Als Kind faszinierte mich in Rom der Innenraum des Pantheons, da die Atmosphäre für mich unglaublich spürbar war. Es ist das Zusammenspiel von Raumklang, Licht und Raumvolumen…
5. Was bremst Sie aus in Ihrer Vision als Innenarchitektin oder kreative Gestalterin?
Eigentlich bin ich nicht zu halten. Mich kann man nicht bremsen. Es gibt immer Lösungen. Wobei… eins gibt es doch: Der Tag hat nur 24 Stunden!
6. Erzählen Sie etwas über Ihre Tätigkeit als Vorsitzende Präsidentin des bdia. Was sind die Ziele und Herausforderungen?
Mein Ziel ist es, den Berufstand der Innenarchitekt_innen sichtbarer zu machen. Immer wieder muss erklärt werden, was wir eigentlich machen. Dazu betreiben wir im Verband gerade viel Öffentlichkeitsarbeit. Die Innenarchitektur ist so viel mehr als das, was viele Menschen im Allgemeinen damit verbinden. Zumeist betrifft das nur das Ausstaffieren von Räumen. Innenarchitektur macht Räume und Orte zu Begegnungsstätten, die den Menschen dienen: in der Akustik, bei den Lichtverhältnissen, bei der Aufteilung des Raums. Innenräume sind dazu da, dass wir uns darin wohlfühlen, dass wir arbeiten, lernen, gesunden oder uns ausruhen können. Neben privaten Wohnräumen zählen dazu gerade auch Bibliotheken, Krankenhäuser, Schulen, Kinos, Büros, Restaurants usw. Dazu ist neben gestalterisch-künstlerischen Aspekten auch pures Handwerk notwendig. Nicht wenige von uns sind auch ausgebildete Tischler oder haben zusätzlich ein anderes Handwerk gelernt.
Eine weitere Aufgabe ist, unsere bereits erreichten Ziele zur sichern. Als bdia Präsidentin bin ich auch im European Council of Interior Architects (ECIA) und erfahre aus den anderen europäischen Ländern, wie die Situation für unseren Berufsstand dort ist. Im Vergleich haben wir in Deutschland einen guten Stand durch den Titelschutz (Innenarchitekt*in) über die Architektenkammern und der Gebührenordnung (HOAI). Wichtig ist mir auch, die Qualität der Ausbildung zu gewährleisten. Dazu engagiere ich mich u.a. im ASAP in Berlin.
Zurzeit engagiere ich mich stark in verschiedenen Gremien zur HOAI Novellierung. Wir arbeiten an einem Vorschlag, der das Planen von Innenräumen honorartechnisch und leistungstechnisch besser abbildet. Das kostet sehr viel Zeit und ich wünschte mir mehr Engagement von anderen Innenarchitekt*innen. Doch scheinbar sind diese Themen zu unsexy.
7. In der Architektur- und Innenarchitekturbranche fordern Frauen mehr Anerkennung ihrer Leistung, Gleichstellung und eine angemessene Bezahlung. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Wir haben uns des Themas anlässlich des Women in Architecture Festivals (WIA Berlin) im Sommer 2021 angenommen. Wir sind als bdia der einzige Berufsverband für Innenarchitekt*innen und haben einen Frauenanteil von über zwei Dritteln. Eigentlich gibt es viele Frauen, die beweisen, dass wir gleichgestellt sein und angemessen bezahlt werden können. Leider ist das nicht immer so und die Gründe sind vielfältig. Hier gibt es keine pauschale Lösung, denn oft sind es unterschiedliche Aspekte, strukturelle Hindernisse und individuelle Hintergründe: Sei es Care-Arbeit oder pflegebedürftige Angehörige, für die keine ausreichende Betreuung zur Verfügung steht. Bauherren oder Projektverantwortliche, die überwiegend Männer sind und denen es gar nicht auffällt, dass Verträge unterschiedlich vergütet werden. Und ja, es gibt immer noch viele gesellschaftliche Vorurteile und Erwartungshaltungen an Frauen, denen sich auch Innenarchitektinnen konfrontiert sehen. Am Ende ist es immer auch ein Abhängigkeitsverhältnis, in dem wir als Auftragnehmerinnen oder Angestellte stehen.
Ich bin eine Befürworterin der Frauenquote, da unsere Gesellschaft noch einen Moment braucht, um die Voraussetzungen für einen wirkliche Gleichstellung zu schaffen. In meiner Bubble sehe ich das Problem kaum, aber wenn ich auftauche, bin ich echt verstört, was da alles passiert.
8. Wie kommt es, dass A & IA im Vergleich zu anderen Branchen Internet, digitalen Medien und Marketing teilr verhalten gegenüberstehen? Was empfehlen Sie?
Eine Website ist unerlässlich und gute Fotos sind heute das A und O eines jeden Büros. Allerdings geht es bei uns Innenarchitekt*innen oft ums ganz Persönliche. Die eigene Wohnung, die 3. Haut. Da verlassen sich nicht viele auf eine Internetseite, sondern bevorzugen die persönliche Empfehlung. Das könnte ein Grund dafür sein, dass Innenarchitekten da zurückhaltender sind oder das Erfordernis einer Website nicht sehen. Unser Beruf hat viel mit Empathie zu tun. Dennoch, ohne eine gute Website existiert man eigentlich nicht. Wir unterstützen unsere Mitglieder durch entsprechende Fortbildungen und Informationen. Es ist auch eine Generationsfrage, die jungen Kolleg*innen und auch die Studierenden sind hier schon ganz anders unterwegs. Instagram, Blogs – da gibt es überhaupt keine Berührungsängste. Die zeigen ohne Umschweife, was sie können. Leider greift die „staatliche Förderung“ zu Digitalisierung“ nicht für uns, was auch gerade nach Corona ein Grund für die geringe Investition ins Digitale sein könnte.
9. Was sind die dringendsten Aufgaben der Architektur- und Baubranche?
Die ist maßgeblich an der CO2 Produktion beteiligt. Wir alle müssen zusammen mit Auftraggebern an diesen Themen arbeiten. Dennoch erlebe ich immer wieder, dass der Wille zum nachhaltigen Bauen da ist, aber in der Umsetzung es dann an Geld, Herstellern und Handwerkern scheitert. Außerdem haften die Inhaber_innen der kleinen Innenarchitekturbüro persönlich über viele Jahre mit ihrem Privatvermögen. Da ist der Wille zum Verwenden unüblicher und experimenteller, aber nachhaltiger Bauweisen relativ gering. Da müssen der Staat und die Forschung ran. Der bdia setzt sich hier im Kanon mit den anderen Planerverbänden und mit der Initiative > Architects4Future für nachhaltiges Bauen ein. Das Aufsetzen eines wieder eigenständigen Bundesbauministeriums ist ein erster richtiger Schritt.
10. Sie haben als Innenarchitektin und Mensch drei Wünsche frei...
- mehr Engagement einzelner für unseren Berufsstand, für Umwelt und Gesellschaft
- mehr Verständnis und weniger Egoismus bei allen am Planen und Bauen Beteiligten. Es geht nur miteinander, interdisziplinär, auf Augenhöhe.
- mehr Zufriedenheit mit den bereits erreichten Zielen
11. Was planen Sie in der nächsten Zeit mit dem bdia?
2022 steht das 70-jährige Jubiläum des bdia an. Der bdia, als einziger Berufsverband für Innenarchitekt*innen, ist somit älter als die meisten Architektenkammern. Wir wollen das in Detmold, dem Gründungsort des bdia, im Oktober kommenden Jahres feiern.
Wir werden weiterhin präsent sein auf Veranstaltungen, werden bei Wettbewerben mit in Jurys sitzen, unsere eigenen Formate und Themen vorantreiben, mit den Hochschulen und Studierenden in Kontakt stehen, uns international mit Partnern sowie mit unseren Unternehmen aus dem bdia Förderkreis weiter vernetzen. Wir müssen die persönlichen Kontakte wieder fördern. Corona hat viel zerstört und es gilt uns wieder miteinander bekannt zu machen. Außerdem haben wir gerade ein Pixi Heft veröffentlicht zum Thema Innenarchitekt*innen. Das ist ein weiteres Instrument, mit dem der bdia allen Interessierten – nicht nur Kindern – zeigen will, was wir leisten. Die positive Resonanz bislang von vielen Mitgliedern zeigt, dass auch solch vermeintlich „kleinen“ Werkzeuge auf vielen Ebenen wirken. Weiterhin wir wollen unser Fortbildungsangebot in den vielen wichtigen und relevanten Themen ausbauen. Nur bei uns gibt es 100% Innenarchitektur!
◾ Weitere Informationen zu Pia A. Döll auf doell.info und bdia sowie auf Instagram @bdia_bund
◾Lest auch das 10plus1 Interview mit der oben genannten Innenarchitektin Monika Lepel.
◾ Hier geht es zu allen 10&1 Interviews by textart.