Architekt Waldemar Weis im Interview | 10plus1 no 30
„In der Architektur sollte wieder einfach gebaut werden: schlichte Details, klare Funktionen und natürliche, wohngesunde Materialien. Anstatt überzogener Technik braucht es mehr konstruktive und praktikable Lösungen.“
Waldemar Weis ist Architekt und Gründer von WEDOX Architektur. Als Projektleiter bei Bez und Kock Architekten in Stuttgart bearbeitete er Neubauprojekte und Modernisierungen im Kultur- und Bildungsbereich im In- und Ausland. Vertiefend beschäftigte er sich mit der Vereinbarkeit von Ökologie, Technik und Gestaltung in der Architektur.
Waldemars Fokus liegt auf Wohnungsbau für Private. Sein Ziel ist, Entwurf, Planung und Ausführung von Bauprozessen zu vereinfachen, um Zeit, Kosten, Personal und Material zu sparen. Damit passende Kunden zu ihm finden, setzt er auf Spezialisierung sowie Content Marketing und Social Media.
1. Wärst Du nicht Architekt geworden, dann...?
Bevor ich mich die für Architektur entschieden hatte, studierte ich bis zum Vordiplom Informatik. Ich dachte, das sei vernünftig und hätte Perspektive. Es war aber nur eine pragmatische Entscheidung ohne Herzblut, also brach ich das Informatikstudium ab. Jetzt bin ich froh, doch noch Architektur studiert zu haben. Andernfalls hätte ich nur einen Beruf, aber keine Berufung.
2. Welche Vorbilder hast Dur?
Ein Architekt profiliert sich durch seine Projekte, deshalb sind diese Vorbilder für mich. Zum Beispiel die > Weißenhofsiedlung in Stuttgart oder > House in Leiria in Portugal. Klar stehen Architekten dahinter. Mich bringen jedoch die Ergebnisse weiter, denn sie inspirieren mich, Gebäude besser für die Zukunft zu planen.
3. Welche Bauwerke sollten wir gesehen haben?
Da kann ich keine Empfehlung aussprechen, denn zum Bauwerk gehört die Entstehungsgeschichte. Nehmen wir z.B. die > Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp von Le Corbusier. Jemand der die Historie nicht kennt, denkt vielleicht: „Ja interessante Architektur und Formen oder bunte Gläser sind wirklich schön etc.“ Oder es sagt ihm gar nicht zu. Nenne ich hingegen das > Kolosseum in Rom, wäre es für die meisten nachvollziehbar: Es existieren Filme darüber, vielleicht hat man bereits in der Schule davon gehört. Wenn man es dann vor Ort sieht, bekommt man wohlmöglich Gänsehaut vor Begeisterung, weil man Hintergrundwissen hatte.
4. Welche Menschen bewunderst Du oder inspirieren Dich?
Persönlichkeiten aus Geschichte oder Gegenwart eher nicht, denn die kenne ich nicht persönlich. Daher kann ich sie auch nicht bewundern. Mich inspirieren Menschen, die ich kenne. Die bemüht sind, ihre Sache voran zu treiben, andere Wege zu gehen und Neues auszuprobieren.
5. Welche Bücher, Magazine, Serien oder Musikstücke begeistern Dich?
Printmedien lese ich mittlerweile nicht mehr. Stattdessen höre ich gerne Podcast im Zug oder im Auto über Wissenswertes, das meinen Horizont erweitert könnte. Nach einem fordernden Tag komme ich abends bei Frederic Chopin zur Ruhe.
6. Was bremst Dich aus in Deiner Vision als Architekt bzw. bei der Arbeit?
Die Bebauungspläne, mit strengen Reglementierungen empfinde ich meist als Nonsens. Wohngebiete mit weniger Auflagen wirken oft harmonischer, auch die Häuser passen situativ besser zur Umgebung. Gerade bei strikten Vorgaben versuchen manche Architekten diese aufzubrechen, indem sie „originelle” Baumaterialien wählen. Damit dann doch noch etwas Besonderes entsteht. Und dann fehlt oft das Verständnis bzw. die Bereitschaft, wohngesund zu bauen, hingegen herrscht bei Bioprodukten Konsens.
7. Was sind die Herausforderung für die Architektur- und Baubranche?
Der Spagat zwischen Wohnfläche, Ausstattung und dem energetischen Konzept. Die Kosten verlagern sich zugunsten der Technik (Strom- Wärmeerzeugung). Demzufolge bleibt weniger Budget für die Größe und Ausstattung des Hauses.
8. Du hast Dich spezialisiert auf Wohnungsbau und die LP 1-4, warum?
Weil ich als Architekt im Hinblick auf ökologisches, wohngesundes Bauen im Wohnungsbau am meisten beitragen kann. Bei den öffentlichen Bauherren oder privaten Firmen ist das längst Thema und es bewegt sich was. Bei Eigenheimen ist das nicht der Fall, hier ist noch Überzeugungsarbeit zu leisten. Ich bearbeite LP 1-4, weil ich so effektiver bin und weniger Fehler vorkommen, als wenn ich alle Phasen durchlaufe. Somit bin ich Experte für Entwurf und Planung von Eigenheimen. Hinzu kommt, dass ich in den ersten Planungsphasen die Weichen stellen kann für wohngesundes, ökologisches Bauen.
Allerdings: Im Studium und in den ersten Berufsjahren ist es wichtig, die ganze Bandbreite von Architektur und Bauen kennenzulernen. Auch, um eine interdisziplinäre Denkweise zu entwickeln. Als Generalist verfügt man über ein breites Spektrum an Wissen und Fertigkeiten, was meist an der Oberfläche bleibt. Oft stellen sich Neigungen bereits im Architekturstudium heraus. Warum sollte man später im Job alles können (müssen) – unabhängig von Eignung oder Vorlieben? Deshalb empfehle ich jungen Talenten sowie Architekten*, sich auf die besten Fähigkeiten zu fokussieren. Das macht Spaß, man entwickelt sich zum Experten, macht somit weniger Fehler und erzielt bessere Ergebnisse.
9. Die Architekturbranche ist bei Onlinemarketing + Social Media verhalten, warum?
Das hat sicherlich auch damit zu tun, welche Art von Projekten ein Architekturbüro bearbeiten möchte. Beauftragungen durch die öffentliche Hand – z. B. im Bereich der Bildungs- und Kulturbauten – laufen fast immer über Wettbewerbe. Für junge Büros ist das eine unüberwindbare Hürde, denn die Teilnehmerliste ist gesetzt. Dies kommt daher, dass die öffentliche Hand bereits mit diesen Büros erfolgreich zusammengearbeitet hatte.
Also macht es Sinn, sich andere Kanäle zu suchen, um für potenzielle Kunden sichtbar zu werden, z.B. über Social Media. Auf Linkedin sind Entscheider diverser Institutionen oder Bauämter längst präsent. Was hält junge Architekten davon ab, zu netzwerken und mit diesen Personen freundlich in Kontakt zu treten? So haben Euch die Leute bereits auf dem Schirm. Unser Büro ist sehr aktiv auf Social Media, auch Instagram. Hier sind viele Menschen unterwegs, die Inspirationen suchen. Wir gewinnen unsere Kunden ausschließlich über diese Plattformen.
10. Du hast als Architekt und Mensch drei Wünsche frei...
1. Die Qualität des architektonischen Entwurfes deutlich zu verbessern. Damit ich mich auch tagsüber durch ein Neubaugebiet trauen kann. 2. Architektur einfach und sortenrein bauen. 3. Dass alle Spaß und tiefste Zufriedenheit durch ihre Tätigkeit haben. Dann wird die Welt um einiges positiver gestimmt sein, was sie derzeit leider nicht ist.
11. Was plant Ihr bei wedox in den nächsten Jahren, wo geht die Reise hin?
Die aktuelle Situation macht eine Einschätzung der weiteren Entwicklung schwierig. Dann kann ich nur eine Münze werfen. Für unsere Kunden tue ich weiterhin alles, damit sie ökologische und wohngesunde Architektur bekommen. Da sind meine eigenen Ansprüche hoch und die setze ich bei den Projekten um. Und dann wollen wir bald für die Planung der Einfamilienhäuser BIM (Building Information Modeling) einführen, um optimale Ergebnisse zu garantieren.
➲ Weitere Informationen zu Waldemar Weis und wedox findet hier unter wedo-x.de sowie auf Instagram @wedox.architektur.
➲ Lest auch das 10&1 Interview mit Klaus Mäs, in dem der Architekt erzählt, warum er sich sofort nach dem Studium spezialisiert hat.
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