Architektin und Architekt: Bauherr sein, ist harte Arbeit? Dann läuft da etwas falsch.
Wer als Architekt_in tief in der Materie steckt, vergisst schnell, dass andere sich nicht so gut damit auskennen. Deshalb regte ich auf Social Media an: Erklärt doch Eure Prozesse verständlich auf der Website (z.B. LP 0-9 oder HOAI). Auf Linkedin entwickelte sich daraufhin ein Schlagabtausch zwischen einem Honorarberater und mir, sein Tenor: Schuld sind immer die anderen, sprich die Bauherren. Von Kundenorientierung keine Spur, dafür hagelte es Vorwürfe. Sicher, die Kommentare sind nicht repräsentativ, dafür unverfroren, aber lest selbst.
Für Bauherren und Baufrauen sind LP und HOAI mitunter verwirrend. Da fällt mir mein Mathelehrer im Abi ein. Der konnte auch nie nachvollziehen, dass Algebra und Trigonometrie harte Nüssen waren, besonders für mich 🤣. Deshalb erstellte ich ein > Post für Instagram sowie Linkedin mit dem Vorschlag, betreffende Projektabläufe einfach und verständlich darzustellen – so als Service. Klar können (und werden) Interessierte googeln und finden reichlich Input rund um Bauen, Verordnungen etc. Aber ist es ihre Aufgabe, sich all das mühsam aus dem Web zu ziehen und sich so vorzubereiten wie für eine Zwischenprüfung? Ich denke nein. Sinnvoller wäre, wenn Architekturbüros Wissenswertes kompakt auf ihrer Website anbieten. Zumal sich die Prozesse bei den diversen Büros trotz Vorgaben wie LP und HOAI auf persönlicher Ebene wohl unterscheiden dürften…
Architekten erzählen sich Mythen
Dazu kamen einige Kommentare. (Da sie öffentlich und namentlich gekennzeichnet sind, teile ich sie hier mit Euch):
H. W. Lotz: „..aha…:)”
E.-M. Fabian: „Honorare nach HOAI sind meines Meiner nach sowieso veraltet!”
Friedhelm Doell: „Und alles nur wegen der ewigen Mythenerzählung, die HOAI definiere irgendwelche Leistungssolls. Tut sie nicht! Sie war bis 2020 (Vertragsabschlussdatum) nur eine Von-Bis-Preisliste und ist selbst das seit 2021 … nicht mehr. Nur falls AG und AN gar nichts vereinbaren, gelten als Auffangregelung nach § 7 (2) noch die Basishonorarsätze. Ansonsten sind nun nicht nur Leistungen (wie schon immer), sondern auch Honorare (auch für „Grundleistungen“) völlig frei vereinbar.“
Mythenerzählung?! Na ist doch prima, wenn dieses „Narrativ“ obsolet ist, genau wie längst das vermeintliche Werbeverbot. Nun dürfen Architekten_innen endlich lernen, wie sie sichtbarer werden, passendere Kunden anziehen und höhere Honorare verhandeln 😎. Davon abgesehen: Die leidige HOAI ist Randthema in meinem Post. Es ging darum, dafür zu sorgen, dass Kunden Abläufe besser verstehen, also meine Antwort:
„Mir fehlt trotz allem bei der Betrachtung (ob mehr oder weniger möglich ist) die Sichtweise der Kunden... Wie sehen Sie das und was könnte man tun, um das Ganze adressatengerecht zu vermitteln (sprich: kundenfreundlicher)?“
F. Doell schreibt dazu:
„Unter der Hand? Ist doch gar nicht nötig, kann jeder lesen, nur mal reinschauen in die HOAI…“ Ernsthaft? Pfffft!
Bauherr sein ist harte Arbeit?
Und dann lässt er die Katze aus dem Sack: „Bleibt die Sichtweise des Kunden. Nun, Bauherr sein ist harte Arbeit. Die meisten Privatauftraggeber informieren sich nicht mal über denkbare Planungsleistungen, geschweige denn über Honorare. Auch bei wiederkehrenden Auftraggebern (z.B. öffentlichen) gibt es häufig erschreckend wenig Grundwissen über die Abwicklung von Bauprojekten unter fachlichen, juristischen oder honorartechnischen Gesichtspunkten. Es werden keine Bücher dazu gelesen, Seminare besucht, Fachleute gefragt (erst wenn viel schiefgelaufen ist), oft nicht mal Internetforen (Achtung Halbwissen!) besucht…”
…Es ist oft einfach zu viel, was da benötigt wird, und Unterstützung buchen scheint uncool, obwohl sie viel Ärger und Geld sparen könnte. Plus der Mythos „der Architekt/Ingenieur kümmert sich doch um ALLES“ - Unsinn und gefährliche Denkweise zugleich. Honorarberatung ist manchmal angewandte Lebensberatung. Individuelles Bauen braucht aber super informierte Auftraggeber, sonst wird das nix mit dem guten Gefühl beim Bauen.”
Gemeinsam Bauen erfordert Transparenz und Vertrauen
Okay, ich weiß nicht, wie Ihr das seht, ich finde dieses Lamento unverfroren und einseitig. Klar ist es zielführender, wenn Bauherren vorab informiert sind. Fragt sich nur: Wo machen sie sich am besten schlau und vor allem: bei wem? So sagt z.B. Thomas Penningh, Präsident des Verbandes privater Bauherren (VPB) in der > DAB-online:
„Gerade für Laien-Bauherren, beispielsweise im Bereich Einfamilienhausbau, ist es eigentlich unmöglich, auf Augenhöhe über Preise für komplexe Planungs- und Bauabläufe zu diskutieren.”
Die Architektin und Architekturfotografin Gabrijela Obert antwortet mir auf meine Frage, was sie denn von den Kommentaren hält: „Vor allem, in welcher Tiefe soll er sich erkundigen? Man kann man vom (Laien-)Kunden nicht verlangen, dass er sich in (komplexe) Dinge einarbeitet, für die Architekten, Ingenieure und Rechtswissenschaftler mindestens sechs Jahre studiert haben. Leider wird offensichtlich die dt. Architektenschaft immer noch dahin erzogen, weiterhin elitär zu denken, die Wörter kundenorientiert und Service kommen einfach nicht vor…“
Da schau her! Und ich betone immer wieder: Architektur und Bauen sind komplex und mit großen Investitionen verbunden. Da dürfen Kunden von den Anbietern durchaus mehr Kommunikationsfreude, Transparenz und Servicementalität erwarten.
Kunden da abholen, wo sie gerade stehen
Daher ist es sehr wohl hilfreich für Interessenten und ebenso wertvoll für Euch, wenn Ihr Eure Prozesse auf der Webseite ansprechend beschreibt (= barrierefrei). Neben Texten auf der Website können es auch gestaltete PDFs, Whitepaper oder Videos sein. Letztere werden ohnehin immer beliebter. Somit erhalten potenzielle Bauherren und Baufrauen wichtige Infos direkt bei Euch und nicht über andere Quellen. Schließlich sollen sie mit Eurem Büro zusammenarbeiten. Das scheint mir zielführender als das lapidare: „LP und HOAI? Soll er/sie doch irgendwo nachlesen.“ Kunden (Menschen) sind individuell und möchten auch so adressiert und beraten werden.
Eins noch: Es gibt viele Architekturbüros, die sehr kundenorientiert sind, also nichts für ungut! Doch selbst, wenn diese Stimme oben nicht repräsentativ ist, Anlass für diesen Beitrag gab sie allemal. Dazu noch ein Zitat aus dem Buch > Marketing für Architekten (Autor Edgar Bialas), der in die gleiche Richtung geht:
„Weiterhin gibt es heute keinen Wirtschaftszweig mehr, der sich nicht mit Priorität um Kundenorientierung bemüht. Selbst erfolgsverwöhnte Architekten sind gezwungen, ihre Strategie zu überdenken. Dabei sollten sie erkennen, dass produktunabhängige Leistungen wie Erreichbarkeit, Service und individuelle Beratung zu Schlüsselfaktoren im Umgang mit dem Kunden geworden sind.”
Der Kommentar von Architekt W. Weis zu meinem Post setzt einen guten Abschluss:
„Auch in Zeiten von Google sollten die Architekten die Kunden da abholen…, wo sie sich gerade befinden. Absolut richtig Ute Latzke 👍.“
Die Autorin:
Ute Latzke ist Kommunikationsexpertin für die Architekturbranche, Autorin & Bloggerin. Sie konzipiert Texte für Websites und schreibt für Fachmedien. Als empathische Komplizin hilft sie ihren Kunden dabei, authentisch zu kommunizieren und digital sichtbar zu werden.